Wenn es um die wirtschaftlichen Verbindungen der Schweiz mit dem Ausland geht, führt kein Weg an Dr. Simone Wyss Fedele vorbei. Als CEO von Switzerland Global Enterprise ist sie zudem eine profunde Kennerin unserer KMU-Landschaft. Wir haben uns mit ihr über Herausforderungen und Chancen unterhalten, mit denen die hiesigen Akteurinnen und Akteure momentan konfrontiert sind. Und sie gefragt, wie die ökonomische Zukunft unserer Stadt aus ihrer Sicht aussehen wird.
Simone Wyss Fedele, Sie sind Tag für Tag in Kontakt mit Schweizer KMU, die international tätig sind. Was ist Ihr Eindruck, welches waren oder sind deren grösste Schwierigkeiten aufgrund von COVID-19 und dem Krieg in der Ukraine?
Zuallererst möchte ich festhalten, dass die Schweizer KMU auf internationaler Ebene enorm erfolgreich unterwegs sind, und das bereits seit Jahrzehnten. Das hat damit zu tun, dass sie vielfach Innovations- und Qualitätsleader sind, die sich in einer Nische bewegen. Ausserdem kennen sich die Vertreterinnen und Vertreter dieser Firmen dank ihrer langjährigen Erfahrung auch mit Krisensituationen aus. «Die Schweizer KMU können Krise» ist nicht von ungefähr ein geflügeltes Wort bei uns im Haus. Dennoch sind es herausfordernde Zeiten, es gibt generell einen sehr starken Margendruck. Wir haben im letzten Jahr rund 6’500 KMU unterstützt. Sorgen machen ihnen aktuell vor allem die Lieferkettenprobleme, die sie voraussichtlich noch bis ins Jahr 2024 begleiten werden. Weiter schlagen sie sich mit exporttechnischen Fragen herum. Das hat mit der zunehmenden Geopolitik, etwa aufgrund des Ukraine-Konflikts oder des Konflikts zwischen den USA und China, aber auch mit anderen Handelshemmnissen zu tun – wir sehen rund um den Globus eine stärkere Tendenz in Richtung Protektionismus. Und es gibt noch ein Thema, welches sie bewegt: Die Schweizer KMU interessieren sich für die unterschiedlichen Geschäftsmöglichkeiten in den Märkten und dafür, wie sie von diesen profitieren können. Bei all diesen Aspekten spielen wir mit unseren Partnern im In- und Ausland eine wichtige Rolle.
In welcher Form unterstützen Sie als Organisation die Schweizer KMU denn ganz konkret?
Wir unterstützen sie, indem wir uns auf unsere Stärken konzentrieren. Diese bestehen aus unserer 100-jährigen Erfahrung im internationalen Wirtschaftsumfeld und unserem globalen Netzwerk aus Partnern sowie unseren Mitarbeitenden in den Märkten. Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass wir im Auftrag des Bundes handeln, was uns einen offiziellen Charakter verleiht, wodurch sich viele Türen automatisch öffnen. All diese Aspekte helfen uns dabei, den Schweizer Firmen im Ausland den Weg zu ebnen. In normalen Zeiten machen wir dies, indem wir sie von der Analyse der passenden Märkte über rechtliche Fragen bis hin zur Locationsuche vor Ort oder der Anstellung des CEOs begleiten. Während Covid war das jedoch gänzlich anders, da ging es nur um Kontinuität. Dabei haben wir die Rolle eines Stabilisators eingenommen und sie zum Beispiel dabei beraten, wie sie mit den Reisebeschränkungen umgehen können. Das hat sich mittlerweile wieder geändert, zurzeit geht es vermehrt darum, Marktopportunitäten zu nutzen. Nicht zuletzt aufgrund des Konfliktes in der Ukraine erleben wir eine enorme Beschleunigung im Bereich nachhaltiger Energien. Deshalb schauen wir ganz gezielt, wie die Schweiz, die über einen konkurrenzfähigen Cleantech-Sektor verfügt, zu diesem Übergang beitragen kann.
Eine weitere Aufgabe von Switzerland Global Enterprise ist es, ausländischen Firmen bei der Ansiedlung in der Schweiz zu helfen. Gibt es zurzeit überhaupt Unternehmen, die eine solche Marktexpansion in Betracht ziehen? Und wenn ja, wie stark werden diese gebremst durch die aktuelle Verunsicherung, die in der Welt herrscht?
Bei der Standortpromotion sah es tatsächlich anders aus als bei den Schweizer KMU, die sich auf dem Höhepunkt der Corona-Krise beinahe ausschliesslich darauf konzentriert haben, ihr Geschäft in den bestehenden Märkten bestmöglich weiterzuführen. In der Akutphase der Pandemie war die Schweiz besonders gefragt, weil sie ein stabiler und dadurch auch attraktiver Standort ist, gerade in Krisenzeiten. Das lässt sich auch mit Zahlen belegen: Mit 220 Ansiedlungen und 1168 dadurch neu geschaffenen Stellen war unser Land nebst Irland weltweit das einzige, das im Krisenjahr 2020 in dieser Hinsicht eine positive Entwicklung verzeichnen konnte. Im Jahr 2021 haben sich 282 und damit noch mehr Unternehmen in der Schweiz angesiedelt.
Sie kennen Basel gut – aus persönlicher und aus beruflicher Perspektive. Wo sehen Sie aktuell die grössten Herausforderungen, wo die grössten Chancen für unsere Wirtschaftsregion?
Das ist richtig, ich habe sogar Basler Wurzeln – und auf die bin ich stolz! Was meine Heimatstadt besonders auszeichnet, ist ihre einzigartige Lage im Dreiländereck, weshalb sie schon immer international ausgerichtet war. Obendrein verfügt sie über eine starke Life Sciences-Industrie. Diese beiden Faktoren machen sie aber auch verwundbar im Hinblick auf die momentan etwas schwierigen Beziehungen mit der EU. Vor allem bei der Standortpromotion, wo wir sehr eng mit BaselArea zusammenarbeiten, haben wir aktuell einen – so hoffen wir sehr – vorübergehenden Wettbewerbsnachteil, wenn man uns mit Konkurrenten wie Irland und Holland vergleicht. Darum ist es umso wichtiger, dass wir die vielen Vorteile, welche die Schweiz nach wie vor bietet, ganz klar kommunizieren. Das hat in der Vergangenheit bereits sehr gut geklappt und wird auch morgen so sein. Deshalb wird Basel auch weiterhin ein bedeutender Wirtschaftsstandort bleiben.