Zwei MICE-Profis vermarkten Basel und Zürich.

Die zwei grössten Deutschschweizer Städte haben so einiges gemeinsam. Nicht nur sind der Geschäftstourismus und das Kongresswesen für beide entscheidende Wirtschaftsfaktoren, sie verfügen seit Kurzem auch über neue Tourismusdirektoren. Wir haben uns mit der Baslerin Letizia Elia und ihrem Zürcher Pendant Thomas Wüthrich über die aktuelle Entwicklung und über kommende Herausforderungen unterhalten. 

Letizia Elia links, Thomas Wüthrich rechts

Letizia Elia und Thomas Wüthrich, was ist Ihr Eindruck, wie steht es in Ihrer Stadt zurzeit um den Tourismus?

Letizia Elia: Wir sind positiv überrascht worden von der aktuellen Entwicklung. Die Lage hat sich deutlich entspannt, ein Grossteil der Gäste ist nach Basel zurückgekehrt. Allerdings ist klar, dass wir noch nicht wieder auf dem Niveau des Rekordjahres 2019 angelangt sind.

Thomas Wüthrich: Erfreulicherweise sieht es in Zürich ähnlich aus. Nicht nur die Stadt, auch die restliche Region profitiert derzeit vom Reise-Nachholbedürfnis. Dies gilt sowohl für den Leisure- wie auch für den Geschäftstourismus, welche sich bei uns etwa die Waage halten. Ich sage das dennoch mit einem gewissen Vorbehalt, denn es bleibt offen, wie sich die Teuerung und der starke Franken auf lange Sicht auswirken werden.

Spüren Sie seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ein verändertes Anfrageverhalten im Bereich Geschäftstourismus und Kongresswesen? 

Letizia Elia: Im Kongresswesen waren wir für längere Zeit mit einem totalen Stillstand konfrontiert. Jetzt erleben wir allerdings das Gegenteil, es gibt einen enormen Nachholbedarf, der gar zu einer Ballung entsprechender Veranstaltungen führt. Bei den Geschäftsreisen sieht es hingegen etwas anders aus, dort stellen wir fest, dass auf kürzere Reisen nach wie vor verzichtet wird – und das wird wahrscheinlich auch in Zukunft so bleiben. Wir glauben aber, dass es dafür vermehrt längere Trips geben wird, die zur Erholung der Übernachtungszahlen beitragen werden.

Thomas Wüthrich: Wir gehen ebenfalls davon aus, dass der individuell reisende Geschäftstourist nicht mehr im gleichen Ausmass wie vor der Pandemie nach Zürich kommt. Auf der anderen Seite denken wir, dass die organisierten Geschäftsreisen sowie die grossen Meetings und Konferenzen an Bedeutung gewinnen, weil diese nicht nur der Informationsbeschaffung, sondern auch dem persönlichen Austausch und der Vernetzung dienen.

In der Akutphase der Corona-Pandemie waren der Geschäftstourismus und das Kongresswesen überproportional von Stornierungen und Umsatzeinbussen betroffen. Was denken Sie, wird es möglich sein, auf das Niveau von 2019 zurückzukehren und wenn ja, wann?


Thomas Wüthrich: Das ist schwer zu prognostizieren. Wie bereits erwähnt, gibt es künftig wohl weniger Geschäftsreisen, diese werden tendenziell aber länger andauern und umfassender sein. Dementsprechend können wir uns vorstellen, dass sich der Business- und der Leisure-Tourismus noch stärker vermischen. Konkret könnte dies bedeuten, dass Geschäftsreisende künftig vielleicht noch ein, zwei Tage anhängen, um unsere Stadt als «normale» Touristen zu erkunden.

Letizia Elia: Mir geht es da gleich wie Thomas, ich habe leider ebenfalls keine Kristallkugel zur Hand, die mir das verraten würde (lacht). Ich antworte deswegen mit Vorbehalt: Für die Jahre 2022 und 2023 sehe ich das noch nicht, doch vielleicht für 2024? Aber das ist Zukunftsmusik, bis dahin fliesst noch viel Wasser den Rhein hinunter.

Was tun Sie als Tourismusorganisation dafür, um dieses Ziel zu erreichen?

Thomas Wüthrich: Derzeit sind wir mit der Aktualisierung unserer Strategie beschäftigt. Ein essentieller Bestandteil davon wird sicher sein, den Geschäftstourismus noch stärker als bisher in den Fokus zu rücken. Zürich ist und bleibt ein wichtiger Standort für grosse Messen und Kongresse und dem wollen wir künftig noch mehr Rechnung tragen. Was unsere Marktaktivitäten betrifft, aber auch unsere personellen Ressourcen.

Letizia Elia: Wir haben uns vor Kurzem dazu entschieden, unser MICE-Team personell zu verstärken. Denn in diesem Geschäftsfeld sind persönliche Kontakte und ein gutes Netzwerk ausserordentlich wichtig.

Wie muss sich die Destination weiterentwickeln, um für den Geschäftstourismus und das Kongresswesen attraktiv zu bleiben?

Letizia Elia: Wir haben – wie viele unserer Mitbewerber übrigens auch – noch Luft nach oben beim Thema Nachhaltigkeit. Gerade im MICE-Bereich werden umweltfreundliche Angebote sehr stark nachgefragt. Basel ist diesbezüglich zwar schon recht gut aufgestellt, kommuniziert das aber meines Erachtens noch zu zurückhaltend.


Thomas Wüthrich: Unser Angebot muss vielfältig und hochstehend bleiben. Und auch wir wollen dem Trend zu mehr Nachhaltigkeit gerecht werden und so die Erwartungen unserer Kundinnen und Kunden erfüllen. Vor allem in ökologischer, aber auch in sozialer und ökonomischer Hinsicht. Zudem verfügen wir mit ACE zwar bereits über Möglichkeiten für grössere Kongresse, aber wir müssen unsere Event-Infrastruktur dennoch ausbauen, um gegenüber Basel, Genf und anderen Städten innerhalb Europas auch bei XL-Veranstaltungen konkurrenzfähig zu bleiben.  

Wenn Sie Ihre Stadt jemandem beschreiben müssten, der noch nie dort war, was würden Sie sagen?

Thomas Wüthrich: Zürich vermittelt Feriengefühl, as simple as that. Oder anders gesagt, in Zürich findet man auf kurzen Wegen alles, was das Herz begehrt: Hochstehende Kultur, ein ungemein vielfältiges gastronomisches Angebot und Top-Qualität bei den Unterkünften. Zudem ist man innert weniger Minuten mitten in der Natur.


Letizia Elia: Das Wort, das mir dazu einfällt, ist kontrastreich. Das sieht man schon an der Art der Bauten, verfügt Basel doch auf der einen Seite über eine wunderschöne Altstadt mit viel Geschichte, glänzt aber auch mit einem beeindruckenden Potpourri an moderner Architektur. Zudem ist unsere Stadt sehr innovativ, ich denke da an die Errungenschaften in der Wissenschaft und Forschung, aber auch im Kunstbereich. Und dennoch ist sie stark auf ihre Tradition bedacht, das zeigt sich zum Beispiel an der Fasnacht. Obendrein ist Basel dank seiner Lage im Dreiländereck schweizerisch und international zugleich.